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Braunkohle 11.06.2019

 

Die Menschen in Europa hatten über Jahrhunderte einen hohen Energieverbrauch. Die klassische Quelle war das Holz aus den Wäldern, das man auch für eine Menge andere Dinge verwenden konnte. Und so holzte man ab, wo immer sich genügend Holz gewinnen ließ und machte sich wenig Gedanken darüber, ob die Natur den Schaden wieder richtete.

Mit der aufkommenden Industrie wuchs der Energiebedarf in Dimensionen, die sich mit Holz nicht mehr decken ließen, und so wendete man sich der Kohle zu, die man schon lange als "brennenden Stein" kannte. Man brauchte nun gewaltige Mengen davon und grub sie unter Tage in Kohlerevieren wie dem Ruhrgebiet aus oder als Tagebau wie z. B. im Raum Leipzig. Der Abbau von Rohstoffen ging immer einher mit Narben an der Natur.

Einst glaubte man, Atomkraft sei eine saubere Lösung. Aber bis heute wurde keine Methode gefunden, die Nebenwirkungen und Abfälle unschädlich zu machen. Aber bleiben wir bei der Kohle.

Egal ob Bergbau in der Tiefe oder Tagebau - es fiel eine Menge Abraum an, oft 70%, und man musste viele Probleme bewältigen, damit man an die Bodenschätze kam. Der Hunger nach Kohle war gewaltig. Man konnte sie nicht nur als Brennstoff einsetzen, sondern auch in der Carbochemie (Kohlechemie). Mit dem Abbau einher gingen Schmutz, Umweltschäden und Lärm. Die größten sichtbaren Veränderungen begleiten wohl den Tagebau, der tief in die Natur eingreift, der ganze Landstriche und Orte frisst und verändert und ganz besonders deshalb zunehmend in Verruf geraten ist.

Man unterscheidet Braunkohle und Steinkohle. Steinkohle enthält im Vergleich zu Braunkohle mehr Kohlenstoff und weniger Wasser und hat einen höheren Heizwert als Braunkohle. Da Steinkohle unter größerem Druck entsteht, findet man sie normalerweise in größeren Tiefen als Braunkohle.

Wichtige Braunkohlegruben lagen im Gebiet um Leipzig, und eine davon war die Grube Espenhain, die bis 1996 betrieben wurde. Da Tagebau sehr raumgreifend ist, wurden entsprechend riesige Maschinen dafür geschaffen. Auf Fotos und im Fernsehen habe ich solche schon gelegentlich gesehen. Nun wollte ich das mal selber aus nächster Nähe erleben und besuchte daher den Bergbau-Technik-Park in Großpösna bei Leipzig.

Ein Audioguide führte uns über das Gelände. In Bergwerken hatte ich Maschinen erlebt, die überwiegend mit Pressluft betrieben wurden. Der Tagebau arbeitete elektrisch. Von einem Kraftwerk gab es Überlandleitungen mit 110.000 V, die vor Ort transformiert wurden. Die gigantischen Maschinen wurden zumeist mit 6.000V Gleichstrom betrieben. Bevor sich die Schaufelbagger durch das Gelände fressen konnten, musste die Umgebung vorbereitet und ständig das Wasser abgepumpt werden.

Die Kohlenflöze lagen zwischen Schichten aus anderem Gestein, das als Abraum zunächst entfernt werden musste. Die Kohle selber machte nur ca. 30% aus. All das musste mit Hilfe von Maschinen bewerkstelligt werden.

Die Braunkohle enthielt etwa 50% Wasser, was sie enorm schwer machte und dazu führte, dass sie im Winter beim Transport festfror. Dann war schwerste Handarbeit angesagt, und gerade im Winter war der Bedarf besonders hoch. Einen Winter (1978/79) wurde es katastrophal, und sogar die Armee musste mithelfen, die Kraftwerke mit Kohle zu versorgen. Die DDR war auf die Braunkohle angewiesen, ohne die die Stromversorgung des Landes nicht aufrechterhalten werden konnte.

Die Maschinen in diesem Museum sind von mittlerer Größe und dennoch gigantisch. Wenn man davor steht, gewinnt man einen ganz anderen Eindruck als von Fotos, die die Größenverhältnisse gar nicht richtig einfangen können. Ich glaube, erst wenn man hinaufklettert, kann man die gewaltige Größe richtig erfassen. Wie klein ist der Mensch doch, wenn er neben den Ketten des Schaufelbaggers steht!

Die Technik möchte ich hier nicht im Detail erklären. Der Ablauf ist aber so, dass der Schaufelradbagger das Material abträgt, es über Förderbänder transportiert wird, dann in Eisenbahnwaggons abgeworfen wird, die es zu Weiterverarbeitungsstätten transportieren. Förderband

Die Förderbänder bestanden aus mehrere Zentimeter dickem, mit Eisenfasern verstärktem Gummi und mussten enorme Lasten aushalten.

Die große Maschine, die zum Verfüllen der Grube mit Abraum diente, hat eine Spannweite von 110 m und ist 50 m hoch, wurde 1985 gebaut und war bis zur Schließung der Grube Espenhain 1996 in Betrieb.

 

Zur Bedienung so eines Monsters waren mehrere Arbeiter nötig. Je größer die Technik, desto anfälliger wird sie, und so waren ständig Instandhaltungs- und Havarie-Trupps im Einsatz. In der Kohle haben Männer und Frauen gearbeitet. Sie leisteten wichtige Arbeit und waren stolz darauf.

Weniger begeistert waren dagegen die Bewohner der Dörfer, die manchmal seit über tausend Jahren auf der Kohle gewachsen waren und dem Abbau zum Opfer fielen. Sie wurden entschädigt mit Neubauwohnungen oder Häusern in Städten und Geld. Manche – besonders ältere – erkannten erst später, wie schwer es war, seine Heimat aufgegeben zu haben. Andere – vor allem Jüngere – waren froh, über den Ausgleich, und wieder andere konnten sich dem Wandel nicht beugen und brachten sich um.

Man sagt „Gott schuf die Lausitz, aber der Teufel legte die Kohle darunter.“

 

Für die 13 Dörfer, die hier dem Erdboden gleichgemacht wurden, sind im Museum Erinnerungstafeln aufgestellt worden.

Wenn eine Kohlegrube abgebaut worden war, verfüllte man sie mit dem Abraum und renaturierte sie, indem eine meterdicke Schicht Mutterboden aufgetragen wurde, auf dem bald schon Felder und Wiesen wachsen konnten. Da die Kohle fehlte, ergaben sich Täler, die vorher nicht dagewesen waren, und daraus wurde das Leipziger Neuseenland, das sich inzwischen als Natur- und Freizeitgebiet großer Beliebtheit erfreut.

 

 

 

 

 

Für mich sind die Tagebaumaschinen ein "Lost Place". Sie stehen hier als Mahnmal, Zeugen und Erinnerung an ein Industriezeitalter, das in Deutschland gerade beendet wird, und rotten langsam und verloren vor sich hin.

Wie viele spannende Orte, die verlassen sich selbst überlassen sind, gibt es noch! Gerne würde ich sie erforschen. Es könnte mich durchaus reizen, auf so eine gigantische Maschine hinauf zu klettern, die Erfahrung zu machen, die Größe zu fühlen und Fotos zu schießen. In Deutschland wird aber alles verboten und abgesperrt, was auch nur das geringste Risiko bergen könnte. Klar, die Zäune sind schon deshalb nötig, damit nicht irgendwelche Vandalen alles mit Graffiti besprühen oder kaputt machen. Aber es hätte schon einen großen Reiz, wenn es Führungen für Abenteuerlustige geben würde, denen man sich anschließen kann.

"Lost Place" bedeutet für mich nicht automatisch "illegal", obwohl viele es damit verbinden. Man weiß nur meist nicht, wo und wie man eine Genehmigung bekommen kann und lässt es deshalb lieber, manche Orte zu besuchen, die ziemlich spannend sein könnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf so einem Monster haben nur 3 Leute gearbeitet. Ziemlich erstaunlich!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.06.2019