40. Flechtkulturfestival in Lichtenfels
12.-14.09.2019 - Aus Charlenes Tagebuch
Ich denke, es liegt nicht daran, dass ich im Geografieunterricht geschlafen hätte, aber den Main verbinde ich definitiv mit Frankfurt und Mainz. Jetzt weiß ich mehr. Er beginnt bei Kulmbach in Oberfranken und mündet bei Mainz in den Rhein. Das bedeutet, er fließt durch den Freistaat Bayern vorbei an Bad Staffelstein, Bamberg, Schweinfurt, Kitzingen, Würzburg und danach erst durch Hessen. So kann man sich irren!
Ich hatte das Glück, zu den 48 Hoheiten zu gehören, die 2019 von der Korbstadtkönigin Alicia nach Lichtenfels eingeladen waren. Anlässlich des 40. Flechtkulturfestivals hatte man sich sehr viel Mühe gegeben, richtig was auf die Beine zu stellen.
Die amtierende Korbstadtkönigin Alicia I. hatte ein Programm ausgearbeitet, dass sich sehen lassen konnte. Als Gast von weiter Ferne muss schon einiges geboten werden, damit sich die lange Reise lohnt. Ich war da nicht die Einzige, die so weit fahren musste. Die Apfelkönigin aus Natz-Schabs hatte eine ähnlich lange Anreise wie ich aus Hamburg. Wenn ich schon die Möglichkeit habe, etwas Neues kennenzulernen, dann nutze ich diese Gelegenheit auch und war schon am Donnerstag dabei.
Wir trafen uns im Korbmuseum in Michelau. „Korbmuseum“ klingt erstmal nicht besonders spektakulär. Was soll da schon zu sehen sein? Aber wenn man dafür ein Museum baut, vielleicht doch einiges.
Nach einem Empfang wurden wir durch das Museum geführt und erfuhren, dass die Korbmacherei durch den Umstand zu einem blühenden Geschäft wurde, dass an den Ufern des Mains ziemlich viele Weiden wuchsen, die als Rohstoff dienten. Die Flechtkunst gedieh und es gab viele Korbmacher, die mit einander in Konkurrenz standen, sich also durch unterschiedliche Produkte und Techniken behaupten mussten. Darüber hinaus gab es die Korbhändler, die die Flechtwaren verkauften und damit viel besser verdienten als die Handwerker, die sie herstellten.
Es setzte eine Art Industrialisierung ein, obwohl man bis heute keine Flechtmaschinen hat, die plastische (3-dimensionale) Dinge flechten können – nur Matten. Handarbeit ist nach wie vor erforderlich.
Die Flechtkunst ist ein Handwerk, das es schon lange und überall auf der Welt in der Kulturgeschichte der Menschheit gibt. Man spricht von Flechtkunst, weil es sich durchaus nicht immer um Körbe handelt. Viele andere schöne, kunstvolle oder praktische Gegenstände kann mit Geflecht herstellen, und in Lichtenfels gibt es eine Schule, in der man dieses Handwerk lernen kann. Es ist auch heute noch ein richtiger Lehrberuf.
Die Produktvielfalt ist beeindruckend. Tragekörbe für die unterschiedlichsten Zwecke und aus den verschiedensten Ländern rund um den Globus, Korbsessel, Stühle, Dekorationsartikel, Strandkörbe, Blumentöpfe, ja selbst Schuhe aus Geflecht (allerdings als Blumenhalter), Kinderwagen, Kommoden, Papierkörbe… es gibt wohl nichts, das es nicht gibt.
Gartenmöbel, Strandkörbe, Flechtmatten… Auch Körbe für den Ballonflug werden heute noch ausschließlich aus Naturmaterial geflochten.
Besonders beeindruckend ist die Feinflechtkunst. Dabei werden Dinge hergestellt, die so unglaublich filigran und fein sind, dass man sich kaum vorstellen kann, dass sie von Hand gefertigt wurden.
Im Museum kann man schauen und Staunen und sich kaum sattsehen. Aber für uns stand ja der Flechtkurs an, zu dem ich mich angemeldet hatte. Einmal selber ausprobieren, wie das geht. Schön.
Als Grundlage bekamen wir eine Art Kreuz aus dickerem Pettichrohr, auf dem wir einen Fächer flechten würden. Pettichrohr lässt sich recht gut verarbeiten und wird hergestellt aus tropischen Lianen, die durch eine Art Fleischwolf gepresst so etwas wie Drähte aus Holz von gleichmäßiger Beschaffenheit ergeben. Flechtmaterial muss getrocknet und ein Jahr abgelagert werden. Vor dem Flechten weicht man es in Wasser ein. Bei ungeschälten Weiden dauert das schon mal 6 Wochen, bei Pettichrohr ein paar Minuten.
Dann geht es los. Einmal unterdurch, einmal oben drüber. Das Flechtwerk immer gut zusammendrücken, denn wir wollen ja einen dichten Fächer machen und nicht eine luftdurchlässige Fliegenklatsche. Es geht gut. Dann reißt mir so ein „Faden“. Kein Problem, das kommt immer wieder vor. Neu ansetzen und weiter. Die überstehenden Enden alle nach hinten, die schneiden wir später ab.
Die Landesinnungsmeisterin Nina-Regina Nötzelmann hat Pettichrohr in verschiedenen Farben bereitgelegt. Das ist künstlich gefärbt, denn von Natur aus hat es nur eine helle Holzfarbe. Beherzt greifen wir zu und gestalten unsere Fächer farbig. Die Farben von Franken, die Farben von Bayern, bunt oder passend zum Dirndl, jeder hat seine eigenen Ideen, und am Ende darf jeder seinen Fächer mit nach Hause nehmen.
Ich finde Mitmachen immer besser als Zusehen. Beim Spargelfest hab ich Spargel um die Wette geschält, beim Pellkartoffelfest Kartoffeln gepellt, bin auf dem Kartoffelroder gefahren und beim Hopfenfest Hopfen gepflückt. Ich möchte immer alles selber ausprobieren oder anfassen. Das macht mir Spaß.
Nach der Freizeit trafen wir uns am Abend auf Kloster Banz, das groß und weithin sichtbar auf einem Bergrücken auf das Maintal hinabschaut. Ich war noch nie hier.
Ein massiger Sandsteinbau, der an ein Schloss erinnert, erhebt sich vom höchsten Punkt der Straße. Durch einen Torbogen trete ich in einen rechteckigen Innenhof von ziemlichen Ausmaßen. Rechts ein Schild „Eingang zum Museum“.
Das Thüringer Wanderfleischerpaar ist schon da. Wir warten auf die anderen Hoheiten, die kurz nach uns eintreffen. Ein paar Leute fragen, was eine Königin der Texte macht. Sie schreibt. Ich sage, „sie textet Leute zu“ und lache. Schon sind wir im Gespräch.
Alicia I. führt uns die zweiflügelige Treppe hinauf, und wir gehen zur Kapelle. Im Norden haben wir ja normalerweise relativ schlichte evangelische Kirchen. Süddeutschland ist überwiegend katholisch, und da sind die Gotteshäuser ganz anders ausgestattet.
Die Kapelle ist ein ziemlich riesiger Bau. Durch Türen, die für Riesen gemacht sind, betreten wir den Innenraum und halten vor Staunen den Atem an. Die reich ausgestattete Barockkirche strahlt einen Glanz und eine Atmosphäre aus, die einen staunen lassen. Wohin man schaut, Gold, edelste Gemälde und Ornamente, eine wunderbare Orgel…
Vor der Tür begegnen wir dem altehrwürdigen Pater von Alicia, der trotz seines Alters immer wieder einspringt und sich um das Kloster kümmert. Wir bitten ihn, uns mehr zu erzählen. Kloster Banz war einst ein Kloster, in dem Mönche in spartanischen Zellen nach genauem Zeitplan lebten. Alle drei Stunden – auch nachts – wurde gebetet, ansonsten herrschte Schweigen, während die äußerst gebildeten Mönche ihren Studien oder Arbeiten nachgingen. Sie hatten außerdem eigene Messen zu zelebrieren – auch mehrere gleichzeitig. Deshalb gibt es mehrere Altäre. Die Zellen waren so eingerichtet, dass dort nur geschlafen wurde. Der Abt hatte eine ganze Etage für sich mit eigener Kapelle und eigener Bibliothek, obwohl das Kloster auch eine große Bibliothek hatte, die von allen benutzt wurde.
Es gab viele und große Räume für Gäste, von denen mehr kamen, als Mönche hier lebten. Darin sind heute das Museum und die Schenke untergebracht, denn lange schon gibt es hier keinen Klosterbetrieb mehr. Die Gelder sind zudem knapp, und so bemüht man sich, alles möglichst gut zu erhalten. Für mehr reicht es nicht. Die Kirche von Kloster Banz ist auf jeden Fall ein bedeutendes Kulturgut.
In der Klosterschenke hatten wir einen netten Abend. Es war Schnitzeltag.
Das Programm für den Freitag begann mit dem Besuch von Vierzehnheiligen. Ich konnte mir wenig darunter vorstellen und ließ mich überraschen.
Vierzehnheiligen auf der Kloster Banz gegenüber gelegenen Hangseite des Maintals ist ebenfalls ein Kloster und hat neben der fantastischen Basilika eine interessante Entstehungsgeschichte.
Ein Schafhirte soll auf dem Berg ein Kind und 2 Kerzen gesehen haben, das verschwand, als er sich näherte. Dieses Kind erschien dort mehrmals und löste sich wieder in Luft auf. Dass so eine Erscheinung den Schäfer irritierte, ist kein Wunder. Ein weiteres Mal tauchte das Kind auf, und um es herum standen 14 weitere Kinder. Als der Schäfer sie ansprach, verschwanden sie nicht, sondern sagten, sie seien die 14 Nothelfer, und man solle hier eine Kirche bauen.
Für den Schäfer war glasklar, dass es sich nur um das Jesuskind handeln konnte. Natürlich glaubte der Bischof dem Schäfer nicht. Aber es gab andere, die ähnliche Geschichten berichteten. Eine sehr kranke Frau suchte den Ort in der Hoffnung auf Heilung auf. Auch sie sah die Erscheinung und wurde wieder gesund. Man entschied, dass es sich um einen heiligen Ort handeln müsse und baute dorthin eine Kapelle.
Einige Zeit später brannte diese ab. Da entschied man, dass man an diesem Ort ein Kloster errichten würde mit einer großen Basilika. Als Architekt wurde der berühmte Architekt Balthasar Neumann aus Würzburg eingesetzt, der früher die 50 DM Scheine zierte.
Aus Kostengründen wurde der Grundriss jedoch verschoben, womit Neumann überhaupt nicht einverstanden war. Der Altar hatte gefälligst über der Stelle zu stehen, wo die Erscheinung gewesen sein sollte, geriet so jedoch aus der üblichen Mitte im Schnittpunkt der Kirchenschiffe.
Als Kompromiss wurde der Raum entgegen der eigentlichen Planung geweitet, was optisch besser wirkt, aber unpraktisch ist, weil man den Altar in der Mitte der Kirche nicht von allen Seiten einsehen kann. In neuerer Zeit wurden deshalb große Bildschirme aufgehängt.
Der polnische Pater, der uns durch die Basilika führte, war sehr menschlich und humorvoll.
Im Kirchenschiff stand der Glockenstuhl. Da die Türme derzeit renoviert werden müssen, hat man neue, im Ton auf einander abgestimmte Glocken gefertigt, die später im Turm erklingen werden. Problem war hier ein missglückter Versuch, die Risse im Glockenstuhl mit Hilfe von Eisenstabilisatoren zu reparieren.
Die Glocken wurden traditionell mit einem Holzgestell im Turm verankert. Da dies über die Zeit zu brechen drohte, versteifte man das Holz mit Eisenstangen. Das beginnt jedoch bei jedem Glockenschlag mitzuschwingen und lässt über kurz oder lang den Sandstein der Mauern zerbröseln.
So wurde eine Restaurierung unumgänglich, und man wird den neuen Glockenstuhl aufgrund dieser Erfahrungen wieder in Holz ausführen.
Besonders interessant fand ich auch die Orgelführung. Der Organist Georg Hagel führte uns hinauf zur Orgelempore, wo er die verschiedenen Funktionen des gewaltigen Instruments demonstrierte. 70 Register, 5000 Pfeifen, das gibt einen Klang!
Es ist nicht die erste Orgel. Durch einen Blitzschlag geriet die Basilika in Brand, und der Dachstuhl wie auch die Orgel brannten aus, wie wir es unlängst bei Notre Dame in Paris erfahren mussten.
Auf den Überresten wurde eine neue Orgel installiert, die auch elektronische Unterstützung hat. So gibt es einen versteckten Bildschirm, mit dem der Organist jede Ecke der Kirche einsehen kann. So kann er sehen, wann er mit dem Spiel einsetzen muss. Und man kann auch Registrierungen auf einer Speicherkarte abspeichern, so dass jeder Organist seine Einstellungen auf Knopfdruck abrufen kann. Die ganze Tonerzeugung von den hohen Pfeifen am Rand des hörbaren Bereichs bis zu dem tiefen Pfeifen mit 9,80 m Länge nahe am unteren hörbaren Bereich erfolgt aber traditionell mechanisch. Nur so ist der optimale Klang möglich.
Wer wollte, konnte die Orgel auch von innen besichtigen. Ich habe ja früher mal ein halbes Jahr Praktikum im Orgelbau bei Rudolf von Beckerath gemacht und interessiere mich schon deshalb besonders dafür. Einmal im Monat werden die wichtigsten Pfeifen gestimmt. Das ist in ca. 4 Stunden erledigt. Das ist schon wegen der Temperaturschwankungen erforderlich. Einmal im Jahr muss die Rieger Orgel gewartet werden. Dann wird für 14 Tage alles auseinandergenommen und gereinigt.
Zum Schluss erlebten wir noch ein kleines Orgelkonzert, das den Körper erbeben ließ.
Nur einige Meter weiter waren wir bei der Privatbrauerei Trunk angemeldet. Eine kleine Brauereiführung und dann Weißwürschte mit Weißbier.
Weißwürste muss man vor 12 Uhr gegessen haben. Sie vertragen keine Kirchenglocken, erklärte man mir (hinterher).
Ich hatte mich schon oft gefragt, wieso bei einigen Brauereien betont wird, dass sie „Privatbrauereien“ sind. Sind die anderen staatlich? Es scheint wohl einige wenige kommunale Brauereien zu geben. Gemeint ist aber, dass sie nicht einem großen Konzern angehören wie die landesweit oder weltweit bekannten Marken, von denen die meisten nach meinem Kenntnisstand dem Dr. Oetker Konzern gehören.
Die Brauerei Trunk braut verschiedene Sorten Bier, die nur 4 Monate halten. Grund ist, dass die Eiweißstoffe nicht aufwändig so stark entfernt werden, dass eine längere Haltbarkeit gewährleistet ist. Das hat Einfluss auf den Geschmack des Bieres. Mir gefällt das Bittere nicht sonderlich, und deshalb ziehe ich weniger „herbe“ Sorten vor.
Der Nachmittag stand zur freien Verfügung. Der Staffelberg sollte sehr schön sein, und so entschloss ich mich nach kurzer Recherche und Blick auf die Uhr, dass ich nicht mit dem Auto näher ran fahren, sondern gleich von Vierzehnheiligen hinüberwandern würde. Ein bisschen Sport tut mir gut, dachte ich und marschierte los. Nach steinigem und steilem Anstieg verläuft der gut ausgearbeitete Weg über das Hochplateau, auf dem schon Kelten und Germanen mit zaunbewehrten Orten gesiedelt haben sollen. Das war früher einmal.
Ein Schild verwies auf die Keltenzeit mit einem Jagdreviergrenzstein. Verwirrt war ich, dass der wohl aus dem 18. Jahrhundert stammte. Die Keltenzeit war gewiss viel früher.
Nach einer Stunde Weg mit wenig Steigung und Gefälle ging es nun steil bergan. Da merkt man, ob man fit ist oder nicht. Oben war eine Art Hütte mit Biergarten und eine Kapelle.
Ich schaute über den Südhang hinunter, genoss den Blick und gönnte meinem ausgetrockneten Hals einen Kaffee.
Ich wollte schon wieder zum Abstieg schreiten, entschied mich dann aber doch, das Plateau hinauf zu gehen und noch einen kurzen Blick zur anderen Seite zu werfen. Welch ein Glück! Hätte ich das nicht getan, dann hätte ich das Beste verpasst.
Es bot sich mir ein atemberaubendes Panorama über das Maintal, Kloster Banz, Lichtenfels mit seinen über 20.000 Einwohnern und Vierzehnheiligen. Der Himmel war bedeckt, aber zwischen den Wolken leuchtete die Sonne hervor und tauchte Teile der Ebene in gleißendes Sonnenlicht. Schöner kann man es gar nicht malen.
Auch die Felsen aus den Prospekten sah ich nun. Ich hatte schon vermutet, man könnte sie nur von unten fotografieren.
Ein Schild „Betreten der Höhle auf eigene Gefahr“ lockte mich über die Felsen hinunter in eine kleine Höhle. Ich kann mir vorstellen, dass hier Kelten oder Germanen gelebt haben können.
Überrascht war ich von den vielen Krokussen, die hier oben blühten. Ich hatte immer gedacht, sie würden im Frühjahr blühen und dann das ganze Jahr nicht mehr.
Etwas schneller als nach der Schätzung von Google war ich wieder beim Auto.
12 km bin ich am Freitag gelaufen. Gute Leistung.
In Lichtenfels im Hof der Grundschule sammelte sich der Festumzug. Inzwischen waren weitere Hoheiten eingetroffen. Jeder bekam einen Weidenzweig in die Hand gedrückt. Manche Hoheiten fanden das lästig und legten ihn zur Seite. Dabei sollte doch jeder mit dem Weidenzweig einmarschieren.
Bis sich so ein Zug formiert hat, dauert es immer geraume Zeit. Die nutzte ich, um noch ein Freibier zu kosten, mit Leuten zu reden, Fotos zu machen, der Musik zuzuhören usw.
Auch eine Blaskapelle aus der französischen Partnerstadt Cournon war dabei, wie überhaupt Flechtkünstler aus vielen Ländern sich in Lichtenfels präsentieren würden. 46 Hoheiten waren wir noch nicht – vielleicht 20. Auch schon eine ganze Menge.
Dann setzte sich der Zug in Bewegung. Es ging am Stadttor vorbei die Hauptstraße hinunter, und überall jubelten uns Menschenmassen zu.
So viele Menschen hatte ich gar nicht erwartetet. Aber es war auch herrliches Wetter.
Entlang der Straße waren Stände aufgebaut. Manche bereits offen, andere noch weiß verhängt. Der Zug endete vor der großen Bühne, die auf dem Marktplatz aufgestellt war. Überall standen Biertischgarnituren und saßen Besucher.
Der Bürgermeister und die Korbstadtkönigin eröffneten das Fest, während wir an einem reservierten Tisch Platz nahmen.
Unsere Aufgabe war für heute erledigt. Wir unterhielten uns angeregt, und darüber brach die Dunkelheit herein.
Der Samstag des 40. Flechtkulturfestivals war für uns in unseren Ämtern der wichtigste Tag. Entsprechend ausgiebig berichteten die Zeitungen darüber. Treffpunkt war im alten Stadtschloss, dass ich dank eines hypermodernen Anbaus gar nicht als Schloss erkannt hätte. Die ehemaligen Korbstadtköniginnen taten sich mit guter Organisation hervor.
Verspätet traf Bürgermeister Andreas Hügerich ein und hielt eine kurze Begrüßungsansprache. Aufgrund der Vielzahl von Hoheiten – es waren tatsächlich 46 anwesend – gestaltete sich die Geschenkübergabe unruhig.
Es ist ja üblich, dass man ein Gastgeschenk mitbringt und meist bekommt man auch eines vom Gastgeber.
Hier in Lichtenfels war das Infomaterial, ein winziger Teppichklopfer, ein Körbchen und ein Armreif in Feinstflechtkunst, hergestellt von einem 88 Jahre alten Meister der Kunst Waldemar Backert in liebevoller Handarbeit. Feinflechtkunst ist etwas ganz Besonderes und ein aussterbender Zweig des Handwerks. Der kleinste geflochtene Korb ist nur 8mm hoch und komplett von Hand ohne Lupe oder Mikroskop hergestellt. Wahnsinn!
Wieder sollte es einen Festumzug geben. Aber es dauerte und dauerte, denn die Schirmherrin und Sängerin Claudia Koreck (Songs in bayrischem Dialekt) war noch nicht da. Eine riesige Marionette „Dundu“ kam herbeistolziert. Sie war natürlich eine Attraktion!
Plötzlich kippte der Kopf nach vorne. Eine Schraube war verlorengegangen. Nun wurde eifrig aber erfolglos gesucht, und man reparierte den Schaden auf andere Weise.
Außerdem war Alfons, ein Ballonfahrer auf Stelzen heranstolziert. Wir trafen ihn später verkleidet als Oma mit Rollator – wohl auch 4 m hoch.
Endlich setzte der Zug sich in Bewegung. Was soll man auch während der Wartezeit machen? Foto schießen ist das Einzige, was mir einfällt. Geduld gehört zum Amt der Ehrenhoheit einfach dazu.
Während wir wieder die Hauptstraße hinunterschritten, riefen mir Leute zu, mit denen ich am Tag zuvor geredet hatte. Ein tolles Gefühl! Ich erlebe sowas ja aufgrund meiner Art und Kontaktfreudigkeit relativ oft.
Diesmal bewegte sich der Umzug vorbei an dem größten, mit Blumen bepflanzten Präsentkorb vor dem Rathaus, dann dahinter entlang, an der anderen Seite wieder in Richtung Bühne, und die ganze Innenstadt war brechend voll mit Menschen bei dem herrlichsten Spätsommerwetter, das man sich wünschen kann.
Diesmal quetschten wir uns auf die VIP-Bänke vor der Bühne. Mit 46 Hoheiten war das nicht so einfach, und die beiden reservierten Tischreihen reichten auch nicht.
Der Moderator hatte aus der Vielzahl der Hoheiten willkürlich einige ausgesucht, die sich auf der Bühne vorstellen durften.
Ich gehörte nicht dazu. Aber mir macht das bekanntlich nicht so viel aus, weil ich auch so mit den Menschen ins Gespräch komme. Allerdings machte ich mir Sorgen um die angekündigte Autogramm-Meile, denn meine Autogrammkarten waren bereits bei den vergangenen Festen ernsthaft dezimiert worden. Würden sie reichen für heute? Und für die beiden weiteren Feste in Genthin und Lauter? Mir blieb ohnehin nichts anderes, als es darauf ankommen zu lassen. Zu dumm, dass ich bei der Abfahrt von Hamburg am Ende doch versäumt hatte, den Nachschub einzupacken.
Ich schlenderte durch die Stadt, schaute mal hier, mal da.
Die Innungsmeisterin hatte mein Körbchen repariert. Der Griff hatte mit der Zeit ja Schaden genommen, und ich hätte nicht das Material gehabt und auch nicht so genau gewusst, wie ich es hätte anstellen sollen. Einen Fächer flechten ist eben noch lange kein Korb mit Henkel. Ich konnte die Nina-Regina jedoch erstmal nirgends auftreiben.
Es gab sehr viele Stände mit Flechtkunstwerken. Den größten Teil nahmen die unterschiedlichsten Körbe ein, aber es gab durchaus Anderes. Cool fand ich die Schuhe. Allerdings waren die nicht zum Laufen gemacht, sondern als Halter für Blumen.
Dann wurde zum Gruppenfoto gerufen. Ein Pressefoto vor dem riesigen Korb mit allen Hoheiten. Viele versuchten es mit ihren Handies, nur machte das Gegenlicht die Fotos grau. Das Foto in der Zeitung war jedoch schön und in leuchtenden Farben.
Wenn die aufzunehmenden Personen die Sonne im Rücken haben, kneifen sie ihre Augen nicht zu. Aber man muss einen sehr starken Blitz haben, der gegen das helle Licht ankommt. Das hat ein Handy nicht.
Danach begaben wir uns zur Autogramm-Meile. Ein 40 m langer weißer Tisch war aufgestellt worden, und da warteten wir auf die Autogrammjäger, die in großer Schar herbeiströmten. Man fragt mich, wie viele überhaupt lesen, was auf der Autogrammkarte draufsteht. Ich denke schon einige. Hoffentlich. Die Kinder sammeln sie sicher nur als bunte Bilder. Da könnte auch Mickey Mouse abgebildet sein.
Wir begaben uns danach auf den Rückweg. Der Korbmarkt ging aber noch bis spät abends, mit viel Musik und guter Stimmung. Besonders schön muss diese Marionette Dundu am Abend gewesen sein, wenn sie von innen beleuchtet ist. Auch am Sonntag feierte Lichtenfels weiter. 40 Jahre Flechtkulturfestival mit Künstlern aus vielen Ländern… Das muss ja gefeiert werden!
14.09.2019