Marn hol fast (2023)

Norddeutschland ist quasi eine Karnevalswüste. Karneval, Fasching, Fastnacht und wie es in den verschiedenen Gegenden heißt, ist dort so gut wie unbekannt. Ich muss es wissen, denn ich habe die längste Zeit meines Lebens dort verbracht.
Die Rosenmontagsumzüge und Karnevalssitzungen waren mir aus dem Fernsehen bekannt und etwas Exotisches, was es bei uns nicht gab.
Halt, nicht ganz, denn wie ich auf alten Fotos entdeckt habe, muss es in den 1952 in Hamburg einen Rosenmontagsumzug gegeben haben. Man hat es versucht, aber es hat in Norddeutschland nie Wurzeln geschlagen. …und doch!

2018 stieß ich durch Zufall auf ein Posting in Facebook, in dem jemand zur Begleitung des Buchholzer Wagens beim Rosenmontagsumzug in Marne/Dithmarschen gesucht wurde. Ohne große Erwartungen meldete ich mich und war dabei. Die Gruppe vom Bürgerverein Buchholz hatte sich das Motto „Spirit of India gegeben“ und einen tollen Wagen gebaut. Die Größe des Karnevalsumzugs überraschte mich sehr, und ich hatte einen Riesenspaß dabeizusein und es in Bild und Video festzuhalten. Mit den Leuten verstand ich mich großartig, und so war es ausgemachte Sache, dass ich fortan dabei war.

2019 nahmen wir mit demselben Wagen nochmal teil. Das Wetter hatte an Ungemütlichkeit noch zugelegt, aber wir ließen uns den Spaß natürlich nicht vermiesen.
2020 wurde der Wagen gemäß unserem neuen Motto „St. Patrick’s Day – die Ir(r)en kommen“ neu gestaltet, und ich half dabei mit.

Dann kamen die Hiobsbotschaften. Im Rheinland war beim Karneval Corona ausgebrochen, Umzüge und Veranstaltungen wurden abgesagt. Das Wetter hatte sich auch nochmals gesteigert. Zwar kam ich trocken bis zum Wagen, aber pünktlich zum Start des Umzuges begann es neben dem Sturm auch noch zu regnen. Das Wurmaterial (Kamelle, Popcorn und was nicht alles…) flog hin, wo der Wind es hinlenkte, nur nicht dahin, wo man es warf. Massen davon endeten im Rinnstein. Es waren weniger Besucher da, aber wir waren froh, dass wir den Umzug noch machen konnten. Einen Monat später wäre es unmöglich gewesen. Die Corona-Pandemie verhinderte alles, und es war ungewiss, ob es Fasching/Karneval überhaupt nochmal wieder geben würde.
2021 zog ich von Hamburg nach Thüringen. Auch da stand das kulturelle Leben komplett still, und gerade auf dem Lande war es die tragende Säule der Gesellschaft gewesen. Eine sehr bedrückende Erfahrung.
2022, als die Covid-19-Zahlen zurückgingen, war es kurzfristig für alle Geimpften möglich, sich wieder zu versammeln, und begeistert schloss ich mich dem Miniumzug des lokalen Carnevals Clubs durch unseren kleinen Ort Blankenberg am Rennsteig an. Die Stimmung war großartig, und man nahm uns gleich mal in den Verein auf. Da passierte zunächst lange nichts, aber dann…
Wochen vorher begannen wir gemeinsam(!) den Saal für die Faschingsveranstaltungen zu schmücken. Es würde eine Generalprobe, zwei Abendprogramme mit Bands, eine Seniorenfeier und den Kinderfasching geben. Am Programm beteiligten wir uns mit Büttenreden und einer musikalischen Parodie. Gardetänzerinnen, Sketche und andere Unterhaltungsnummern ergaben ein etwa 3stündiges interessantes und durchaus hochwertiges Programm, das sehr gut ankam und begeistert bejubelt wurde.
Am 18.02.2023 gab es einen Umzug in Wurzbach, eine halbe Busstunde entfernt, und der Blankenberger Carnevals Club war dabei – also auch ich. Da in unserem Ort früher sehr viele Leute Schweine gehabt haben, hat sich der Begriff „Sauhansen“ eingebürgert, der auch unseren Umzugswagen schmückte.

In meiner neuen Heimatregion gab es viele Veranstaltungen und mehrere Umzüge, von denen ich nach und nach erfuhr. Vieles davon überlappte sich terminlich. Dabei hätte ich es gerne kennengelernt. Außerdem hatte ich mich auch wieder zum Rosenmontag in Marne angemeldet. Mit dem Bürgerverein Buchholz und unserem Ir(r)ischen Wagen nahmen wir am 20.02.2023 wieder am Umzug teil. Dass ich dabei war und die 600 km Fahrt auf mich genommen hatte, wurde begeistert aufgenommen. Mit dem Karnevalspräsidenten des MKG kam ich auch kurz ins Gespräch. Vielleicht ergeben sich ja Kontakte zwischen Nord- und Mitteldeutschland.
Das Wetter hielt einigermaßen durch. Der größte Teil des Umzugs konnte im Trockenen verlaufen. Es hatten sich etwa 55 Wagen und Gruppen angemeldet, und die passten gar nicht alle zum Start in die Innenstadt des 6000-Einwohner-Ortes.

Ich bewunderte die vielen tollen Wagen. Karneval/Fasching ist im Grunde eine riesige Party. Aus allen Wagen dröhnten sehr laute Partylieder, es wurde getanzt, gegrölt und auch gesoffen, wobei letzteres für mich nicht wichtig ist. Zum Glück, denn wenn man hinterher noch Autofahren muss, darf man eh keinen Alkohol trinken. Ich habe damit kein Problem; ich kann husten ohne zu rauchen und lustig sein ohne zu trinken.

In Marne gibt es einen Wettbewerb um den besten Umzugswagen. Unsere Gruppe vom Bürgerverein Buchholz bekam den 3. Preis, und darüber waren alle sehr glücklich.

Der Umzug endet jeweils auf dem ZOB, wo noch eine Weile gefeiert wird, bevor man sich in eines der großen Festzelte begibt, wo die Party bis zum frühen Morgen weitergeht.

Der Schlachtruf in Marne lautet „Marn hol fast!“, was soviel bedeutet wie Marne haltet zusammen. Das haben wir getan.

 

20.02.2023