Bollenfest in Calbe/Saale
Wie sagt doch dieses Lied? „Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert“? Am 1. September lud der Bollenverein Calbe (Saale) zum alljährlichen Bollenfest ein.
Bolle heißt Zwiebel, wie wir aus früheren Jahren bereits wissen. Im Raum Calbe liegt eines der größten Zwiebelanbaugebiete, und so gibt es eine Bollenkönigin nebst Prinzessin, Bollenmus, Bollentitsche, den Bollenverein und die Bollenhallen der Agrargenossenschaft.
Zur Info für die Städter: Zwiebeln (Bollen) werden nicht in der Fabrik gemacht, wo schlecht bezahlte polnische Arbeiter in Handarbeit die Blätter mit Tränengas zusammenkleben. Zwiebeln wachsen vielmehr in der Erde als Wurzelknolle der gleichnamigen Pflanze. Nun könnte man theoretisch auch Tulpenzwiebeln essen, aber sehr schmackhaft können die nicht sein, sonst würde man es ja mit Vorliebe tun. Oder man könnte sich statt Tulpen Bollen in den Garten pflanzen, aber so schön wie Tulpen blühen die nicht.
Der lange heiße trockene Sommer hatte den Zwiebeln auch mächtig zugesetzt. Sie waren klein und scharf, und die Ernte hatte noch gar nicht begonnen. Um genügend Zwiebeln an die Kunden liefern zu können musste man dieses Jahr welche aus Hessen und Bayern importieren, wo die Wetterverhältnisse etwas besser gewesen waren. Entsprechend leer waren die Bollenhallen noch.
Es gab Zeiten, da war Calbe zum Bollenfest komplett voller Stände und Menschen. Das hat über die Jahre sehr nachgelassen. Zum einen leidet die Stadt an der gleichen Bevölkerungsentwicklung wie andere Orte in den neuen Bundesländern: Abwanderung in die großen Städte, wo es Arbeitsplätze gibt, bessere Bezahlung… Zum anderen gibt es mittlerweile ziemlich viele andere Orte, die inzwischen ebenfalls Feste auf die Beine stellen und sich gegenseitig Konkurrenz machen.
Und dann ist da noch der Sinneswandel bei den Eltern. Früher waren sie stolz, ihre Kinder auf der Bühne etwas vorführen zu lassen. Heute ist es ihnen zu anstrengend oder sie wollen nicht, dass ihr Kind im Internet zu sehen ist. Schöne neue Datenschutzwelt! Die DSGVO… Was kann man damit verhindern? Die Behörden verkaufen ohnehin unsere Daten, und jeder Klick im Internet sammelt tausend Informationen über uns. So gesehen müsste man das Internet eigentlich komplett abschaffen.
Jedenfalls hatten die Kindergärten kurz vor dem großen Fest abgesagt, und das war ein schwerer Schlag für die Organisatoren, die nun auf den Prüfstand stellen, ob es sich überhaupt noch rechnet, das Bollenfest jedes Jahr stattfinden zu lassen.
Ich kenne das Problem von anderen Veranstaltungen. Die lohnen sich nur, wenn man auch hingeht. Wenn zu wenige hingehen, dann verschwinden solche Veranstaltungen. Unseren Weihnachtsmärkten blüht auch dieses Schicksal. Das wäre schade. Alles hängt am Engagement einiger weniger. Die Mehrheit engagiert sich normalerweise nicht.
Die Heimatstube beherbergt ein kleines Heimatmuseum, wo wir uns in das „goldene“ Buch einschrieben. Und Spaß hatten wir auch – nicht nur am Abend.
Am Sonntag war für die Hoheiten dann eine Ausfahrt mit Oldtimer Autos nach Bernburg organisiert. Das Wetter ließ etwas zu wünschen übrig, was gut für die Zwiebeln war aber weniger gut für so ein Stadtfest.
Eine große Zahl von historischen Autos aus unterschiedlichen Epochen fuhr vor und brachte uns im Konvoi nach Bernburg, wo wir das Kloster erkundeten und zu Mittag aßen. Zurück in Calbe wurde ein Foto mit sämtlichen Oldtimern gemacht, bei dem es leider etwas regnete.
Dann wurden die Hoheiten auf die Cabrios verteilt und durch Calbe gefahren. Bei der Einfahrt zum Marktplatz wurden die Straßen von Menschenmengen gesäumt.
Auf der großen Bühne waren an beiden Tagen unterschiedliche Programme organisiert worden. Orchester, Gesang, vielleicht auch Tanz, aber davon bekamen wir wenig mit, weil wir Hoheiten ja unterwegs waren. Nach unserer Rückkehr trat die Tanzgruppe Dschinis Töchter aus Barby auf, die mit ihren orientalischen Tänzen in fröhlichen Farben die Zuschauer bezauberten – auch das bereits eine schöne Tradition.
Ein Bollenwettschälen gehörte zum Fest, die Krönungszeremonie der Bollenhoheiten, die in diesem Jahr nur ihre Amtszeit verlängerten, der Empfang im Rathaus mit Broten mit Bollentitsche (ein bisschen mit Schmalzbroten zu vergleichen). Bollenmus kaufe ich mir auch jedes Jahr wieder. Wie es gemacht wird, weiß ich nicht so genau. Jedenfalls ist der Hauptbestandteil Zwiebeln, die wahrscheinlich gedünstet werden und einen süßsauren Geschmack haben. Bollenmus ist sehr gut geeignet als Beigabe zu Gebratenem oder Gegrilltem.
Bekannt ist auch die Bollwurst. Man versucht vieles aus oder mit Zwiebeln zu gestalten, wie auch die kleinen Bollinas, die man als Dekoration kaufen kann. Sie werden aus Zwiebeln gemacht und sind sehr niedlich.
Am Ende bleibt die Erinnerung an ein nettes Fest und viele gute Gespräche und an die Herzlichkeit der Calbenser.
Auf dem Rückweg machten wir sogar noch einen Abstecher zu den Oldtimerfreunden in Schönebeck, die uns gefahren haben. Die Schüttgut-Spedition führen inzwischen die Kinder, aber der Herr Kuhnert senior hat eine große Sammlung von Oldtimern, die wir uns ansehen durften. Neben Autos hat er geradezu ein Museum alter Motorräder.
Darunter sind natürlich viele DDR-Marken wie Schwalbe, IFA oder Simson, aber auch westliche Oldtimer. Für Kenner eine Augenweide. Und etliche alte Trecker soll er auch noch haben.